Ann.Jan.Fun.

Musik meiner Gedanken


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Ende der Vorstellung

Die Tänzerin ging zum Direktor und kündigte von heute auf morgen.
Sie war es Leid, anderen etwas vorzuspielen.
„Bitte noch eine Vorstellung!“, bettelte der Direktor.
„In Ihren Vorstellungen möchte ich keine Rolle mehr spielen!“, antwortete die Tänzerin und tanzte davon.


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Der Wunsch

Tief im Ozean der Sehnsüchte und Hoffnungen
lebt das Unbekannte Wesen.

Ungeduldig wartet es auf den Großen Moment;
möchte hinaus aus dem Druck der Wassertiefen
hinein in die klare Luft des hellen Tages.

Wasserblasen sprudeln bereits perlend nach oben;
kleine Bewegungen verraten seine Existenz.

Niemand hat es jemals gesehen.
Unbekannt und vergessen harrte es aus.

Nun ist Tatzeit!
Es steigt nach oben!

Und zeigt sich der Welt.


Ein Kommentar

Die alte Frau und die Zeit

Frau W. hatte ihre Kinder groß gezogen, ihren Mann versorgt und zum Schluss gepflegt und nun war nur noch sie da. Das war eine ungewohnte Situation. Sie rettete sich daraus, indem sie begann, sich selbst zu pflegen.
Die Batterie an Cremes, Salben, Mittelchen stand zentral im Badezimmer und in der Küche sammelten sich die Mineralstoffpräparate, Nahrungsergänzungsmittel und diverse Pillen. Es waren langgezogene Zeremonien und Rituale, mit denen sie den Tag über die Pflege ihres welkenden Körpers vollzog.
Dabei empfand sie eine große Genugtuung. Nicht dass sie bereits irgendwelche Besserungen oder Linderungen erfuhr- so krank war sie eigentlich noch gar nicht- aber sie wusste, was sie tat. Es war die Gewissheit, das Richtige zu tun. So wie sie es immer schon getan hatte.
Freundinnen von ihr gingen zusätzlich ins Krankenhaus als grüne Engel. Eine Bekannte versuchte sich sogar als Lesepatin in einer Schule. Es gab genug zu tun auf dieser Welt für Frauen wie sie.
Sie jedoch war mit ihrer eigenen Pflege ausgelastet. Hatte nicht das Bedürfnis, noch mehr Menschen zu pflegen. Obwohl sie oft mit dem Gedanken spielte.
Denn etwas fehlte in ihrem Leben. Vielleicht war es ja doch die Pflege wildfremder Menschen – jetzt wo sie keine Familie mehr hatte, die zu pflegen war, denn Enkel hatte sie ja leider noch nicht.
Sie wischte den Gedanken beiseite. Wildfremde wollte sie nicht pflegen. Und ins Tierheim wollte sie auch nicht. Außerdem hatte sie eine Allergie gegen Tierhaare.
Was sollte sie also tun mit ihrer Zeit? Sie hatte zeitlebens gepflegt. Zuerst ihre kleineren Geschwister, damals nach dem Krieg, und dann hatte sie in jungen Jahren kurzfristig in einem Hospital gearbeitet, bis sie ihren Mann kennengelernt hatte.
Sie hatte also nichts anderes gelernt als andere Menschen zu pflegen und nun sich selbst. Nun war sie bald 70 und es fehlte etwas in ihrem Leben.
Das war eine Erkenntnis, die sie sehr nervös machte; Wollte sich auf nichts Neues einlassen. Nicht jetzt noch.
Und trotzdem lag das Leben noch vor ihr. Wie immer. Nur ganz am Ende, da stand der Tod.
Sie begann, sich heftig einzucremen. Legte eine Extraschicht auf und massierte die Gedanken an die Zukunft in ihre Oberschenkel. Es war alles gut so wie es war. Sie war gesund und hatte ein reiches Leben geführt. Sie wollte das alles nicht aufs Spiel setzen für ihre eigene, launische Unzufriedenheit.
Doch der Gedanke, die nächsten zwanzig Jahre cremend und Tropfen einnehmend zu verbringen, versetzte sie ihn Panik. Sie fühlte sich gefangen in ihrer eigenen Haut.
Sie brach den Vorgang ab, zog sich die Strümpfe über die öligen Beine und machte sich ausgehfertig. Es hielt sie nichts mehr in dieser Wohnung. Sie wollte raus aus der Enge ihrer vier Wände und fand sich ziellos vor der Haustür wieder.
Wohin?
Sie hatte die Wahl nach rechts oder nach links zu gehen. Oder erst einmal die Straße zu überqueren! Das hatte sie noch nie gemacht! Sie überquerte die Straße immer an der Ecke.
Verwegen schaute sie nach links und rechts und setzte den Fuß auf die Fahrbahn. Kein Auto weit und breit und schnell war sie auf der anderen Straßenseite. Das fühlte sich sehr merkwürdig an. Vor allem sah sie nun das Haus, in dem sie wohnte, aus einer unvertrauten Perspektive. Sah ihre Gardinen oben im zweiten Stock etwas unordentlich zusammengerafft vor dem Fenster hängen.
Es interessierte sie nicht. So war das nun eben.
Sie entschied sich, der Sonne entgegen zu gehen. Also nach links. Vom Haus aus gesehen war das rechts. Sie hatte keinen Plan, wohin sie ging. Es war zwar der Weg zum Einkaufszentrum, aber sie brauchte nichts. Sie hatte alles in den Schränken, vorgesorgt für zwei Monate.
Sie genoss die Sonne und schritt munter aus. Das Abenteuer begann. Im Einkaufszentrum war noch nicht viel los. Es war früh und die Geschäfte öffneten gerade erst. Die Geschäftigkeit dort lockte sie nicht zum Verweilen. Und so durchquerte sie das Areal und kam in die Wohngegend dahinter.
Hier war sie nur selten unterwegs und wenn, dann nur auf dem Weg zur Gärtnerei. Dort holte sie im Frühling und im Herbst ihre Balkonpflanzen.
Die Gegend war auch hier noch sehr verschlafen. Hin und wieder sah sie jemanden das Haus verlassen und in Richtung Einkaufszentrum radeln oder gehen.
Sie mochte diese Gegend nicht. Es standen hier nur Einfamilienhäuser mit großen Vorgärten. Eine Ansammlung von toter Materie, die wenig Abwechslung und Spannung enthielt. Jeder war hier für sich und mit einem großen Radius umgeben.
Sie überlegte, wieder zurückzugehen. Da beobachtete sie auf dem Grundstück neben ihr, hinter der kleinen Hecke, eine unerwartete Bewegung. Neugierig blickte sie über die rote Berberitzenhecke hinweg und scheute erschrocken zurück. Da lag jemand.
Wie gelähmt blieb sie stehen. Was sollte sie tun? Wer war das? Lebte der noch?
Vorsichtig machte sie einen Schritt nach vorne und äugte über das rote Laub. Da lag ein Mann. Auf dem Rücken. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt schaute er in die Luft und dann sie an. Er blinzelte verschmitzt und genoss ihre Verwirrung.
Der Mund stand ihr offen. Dieser Mann, wie er da lag, hinter der Hecke, an diesem frühen Morgen, all das passte nicht in irgendein Schema in ihrem Kopf. Sie war verwirrt und zweifelte an ihrer Beobachtung. Beugte sich weiter vor und schaute genauer hin.
Da lag ein Mann. Auf dem Rücken. Ein Bein über das andere gelegt und sehr entspannt. Er mochte so um die sechzig Jahre alt sein.
Nun wurde es ihr peinlich, ihn in seinem Vorgarten anzustarren. Er schien jedoch damit keine Schwierigkeiten zu haben. Er schaute sie interessiert vom Boden aus an und schmunzelte.
„Guten Tag!“, spulte sie ab. „Geht es Ihnen nicht gut? Kann ich Ihnen helfen?“
Mehr fiel ihr nicht ein.
„Ich brauche keine Hilfe!“, sagte der Mann, „aber wenn Sie möchten, können Sie sich zu mir in das Gras legen!“
Sie überlegte. Er hörte sich nicht anzüglich an, eher freundlich einladend. Wie zu einem Kaffee, nur halt eben nicht zu einem Kaffee, sondern für einen Grasplatz.
Das war etwas sehr Neues für sie. Und da sie nichts anderes vorhatte, stieg sie über die kleine Hecke und setzte sich zu ihm ins Gras.
Diese Perspektive war ausgesprochen ungewohnt für sie, so hinter der Hecke, dicht am Gehweg. Nicht unangenehm. Der Rasen war auch hier gemäht und schön grün und vom Boden aus war die kleine Hecke sogar ziemlich hoch.
Sie war mit ihm nun fast auf Augenhöhe und betrachtete sein Gesicht von oben. Denn er lag da immer noch mit verschränkten Armen hinter dem Kopf.
Er war wohl doch schon älter. Vielleicht siebenundsechzig. Ja, das musste er wohl sein, so ein Rentner. Vorher hatte man ja nicht Zeit für sowas wie hier.
„Möchten Sie sich nicht legen? Das ist viel bequemer!“ lud er sie ein.
Da zögerte sie. Sie hatte zwar keinen Rock an, aber so wollte sie sich nicht legen. So ausgeliefert auf den Rücken.
„Ich bleibe lieber sitzen!“, sagte sie und rückte ihren Fuß unter ihren Po. „Aber schön haben Sie es hier! Liegen Sie hier öfters rum?“
„Leider nein!“, sagte der Mann, „meistens sitze ich in meinem Sessel. Oder in meinem Liegestuhl. Nur heute wollte ich etwas anderes erleben. Und siehe da! Schon passiert etwas!“
Sie war irritiert. Sollte das Leben so einfach sein? Sie hatte jahrelang alle möglichen Menschen gepflegt und sich um alles gekümmert. Und nun um sich selbst. Aber so etwas Spannendes wie gerade hatte sie noch nie erlebt. Auch nicht in dem Urlaub auf Mallorca.
„Was machen wir jetzt?“, fragte sie den Mann.
„Wir sitzen im Gras.“, sagte der Mann, „und das ist doch schon sehr ungewöhnlich, finden Sie nicht auch?“
„Ja, allerdings!“, sagte sie, „und wir sollten das ausgiebig genießen!“
Und so blieben sie sitzen und schauten den verwirrten Menschen zu, die neugierig über die Hecke schauten und dann schnell weg, rochen an den kleinen Gänseblümchen und stellten sich gegenseitig Fragen.
Der Vormittag verflog wie im Nu. Da bekamen sie Hunger und gingen rein. Er kochte ihr ein Mittagessen und sie genoss es.